Kam mir das nur so vor oder hat sie sich eben etwas unwillig geschüttelt und beim Starten eine halbe Kurbelwellenumdrehung mehr gebraucht als sonst??!!
Es ist Sonntag morgen – naja, halb 12 – und ich stehe auf dem Ballon d’Alsace in strömendem Regen!
Die Anfahrt am Freitag war durchwachsen, Straßen nass aber von oben trocken, herbstlich mit Wind und Nebelschwaden auf der Route des Crêtes, gestern dann nahezu Traumbedingungen und heute dann das… - wobei es ja abzusehen war, wenn man der Vorhersage mit 40l/m² ein wenig Glauben geschenkt hätte.
Vorhersagen – pah! Die sagte auch, dass es um 10:00 eine Regenpause geben sollte, somit haben wir genüsslich und ausgiebig gefrühstückt, gemütlich gepackt, uns verabschiedet, Abschied von den Gastgebern und Abschiedskippe zwischen uns weil wir in verschiedene Richtungen fahren, mussten dann aber einsehen, dass die Einheimischen wohl zuverlässiger als jede Vorhersage sind und die sagen, dass es erst am Montag aufhört zu regnen. Also drauf und durch. Eigentlich kein Ding, aber irgendwie doch ungewöhnlich. Ich bin kein Weich ei und auch schon öfter im Regen gefahren – so unterwegs allmählich kommend, aber direkt in strömendem Regen zu starten und das dann für die kommenden 3 Stunden?? – Und noch dazu ohne Regenkombi??!! Die Atlantis hat mich zwar noch nie auch nur ansatzweise im Stich gelassen, aber das waren meist nur Schauer zwischendrin – so richtig raus in den Weltuntergang?! – Was solls, wird nicht besser: Handschuhe, Helm, los!
August! – Ich trage ein Merinoshirt und einen Windbreaker unter der Jacke, lange Unnerbuxxen, two in one Goretex Handschuhe, habe Handschützer und die Griffheizung an! Die Straßen sind blitzesauber – aber nass. Warum fahren denn die wenigen Autos eigentlich noch langsamer als sonst?? – Die fahren doch gar keine Schräglage und bei dem Tempo…., egal, vorbei!
Langsam werden Motor und Reifen warm – in dem Maß wie man es bei ströömendem Regen halt erwarten kann, zum Glück sind die Michelins nicht nur im Trockenen sondern auch und gerade im Regen eine Macht, langsam läuft es rund oder liegt das am nachlassenden Regen und dem Sonnenstrahl?! Trocknet die Straße etwas ab`!
Pustekuchen, der nächste Schauer zerstäubt die aufkeimende Hoffnung, aber ich bin noch trocken.
Mittlerweile habe ich den Col du Hunsrück und Col d’Amic hinter mir gelassen und die Bergrennstrecke am Hartmannswillerkopf die wir gestern zur genüge gedonnert sind ebenso und biege wieder auf die Route des Crêtes ein. Kaum bis kein Verkehr, ein paar wenige tapfere Radfahrer und EIN anderer Motorradfahrer, sonst gespenstische Leere – kein Wunder bei dem Wetter! Windböen, Nebelschwaden und Fetzen, Regen, an ein hohes Tempo ist nicht zu denken und so lasse ich irgendwann einfach den 5 Gang drin, der bei Tempi zwischen 80 und 100 einfach am rundesten läuft und etwas mehr bremst wenn man vom Gas geht aber eben nicht bremsen will.
Grand Ballon, Col de Markstein – wusch – Col de la Schlucht – wusch – was will ich hier auch anhalten – Col de Bonhomme, jetzt runter nach St. Marie aux Mines. Umwege fahren oder weiter durchs Geläuf kämpfen??!! Muss nicht sein, nach 2h und 120km im strömenden Regen – ich pack mich einfach auf die Bahn und roll heim! Vorher noch Tanken, muss ja nicht auf der Autobahn sein. Die erste Tanke hat kein Benzin wegen Leitungsbruch, die zweite keine Internetverbindung und keine Kartenzahlung… - ich bin gerade erst auf Reserve und hab wie immer noch einen eisernen Reserveschluck dabei, bin also noch ganz entspannt und rolle Richtung Selestat aus dem Tal raus bis an eine der nächsten Tankstellen. Einmal voll – 15 Liter auf die letzten 250km, da hat das sanfte Regensurfen wohl die scharfe Kurvenhatz von gestern wieder etwas kompensiert!
Weiter Richtung Strasbourg, die Sonne kommt raus und die Straßen trocknen ab, ich zucke unwillkürlich und sehnsüchtig mit dem Blick zurück in die Berge die aber nach wie vor so verhangen und in Wolken gehüllt sind wie bisher und auch die andere Rheinseite, der Schwarzwald, bietet kein gutes Bild also tatsächlich Autobahn. Füße auf die hinteren Rasten und ab – der Boxer schnurrt bei Tempo 140….160km/h gleichmäßig vor sich hin, über Temperatur muss ich mir keine Gedanken machen, immerhin steigt die Öltemperatur endlich mal über 100°C. Ich lasse die letzten Tage und Stunden geistig Revue passieren und beschließe, dass man das zwar nicht unbedingt braucht, dass es aber einfach auch ab und zu dazugehört. Vermutlich bin ich von den 2 Regenstunden eine nahezu in einem Gang gefahren, ohne Schalten, ohne Bremsen, Schräglagen ge- und erfühlt und mit dem Motorrad eins geworden.
Meine alte G/S bin ich 20 Jahre gefahren, meine Speed Triple 10, da haben meine Kumpelz immer scherzhaft gesagt, kein Wunder, dass ich so schnell sei (das war zwar eher auf die 50PS G/S gemünzt als auf die >100PS Speedy) – die Dinger wären mit schliesslich mittlerweile ‚an den Ars h gewachsen…‘ - aber mittlerweile hab ich auf der r nineT auch das Gefühl – manchmal kann es also auch ruhig etwas langsamer sein und so eine Regenfahrt ganz alleine hat doch auch etwas für sich!
Daheim bin ich dann doch noch einen kleinen Schlenker gefahren, aber insgesamt hab ich die 250km vom Ballon d’Alsace in 3,5h hinter mich gebracht, so schnell war ich noch nie, sonst waren aber halt auch immer viel mehr Umwege und Pausen dabei, i.d.R. fahren wir so 350km bis dahin…, und die Altlantis war mal wieder absolut dicht!