Heute wollte ich mal mit der R100RS eine längere Frühjahrstour unternehmen. Frühling an der Schlei erschien mir als lohnendes Ziel. Sonne, gelbe Rapsfelder und das blaue Wasser hatte ich als lohnende Kulisse im Hinterkopf und das ganze wäre mit knapp 1000Km auch für den nicht mehr so geübten Sitzmuskel mit der Gummikuh eine leichte Übung. Fing auch gut an. Bis sich dann, glücklicherweise hatte ich die Autobahn längst hinter mir, bei etwa 80 Km/h und eingeschlossen in einer PKW Kolonne das Heck leicht schwammig anfühlte. Das menschliche Gehirn verdrängt gerne und so war der erste Gedanke, dass die Konis vielleicht mehr Vorspannung oder Dämpfung vertragen könnten. Ihr ahnt es, das wird kein Federbeinthread und vorher lief das Motorrad auf dem auch nicht immer ganz optimalen Autobahnbelag bolzgerade ihre 180. Also der unbequemen Wahrheit ins Auge geblickt und den nächsten Feldweg rechts rein, zumal die Instabilität zunahm. Den Luftdruck brauchte ich nicht mehr zu messen, es war erkennbar keine Luft mehr im Hinterreifen vorhanden. Die als Ersatz für die längst weggegammelte originale bei einem BMW Händler erstandene Luftpumpe erwies sich als Dekoartikel, denn nach ein paar Hüben zerfiel sie in ihre Bestandteile. Genützt hätte sie eh nichts, denn inzwischen hatte ich die gemeine Drahtklammer im Reifenprofil gefunden. Also ADAC gerufen und in froher Erwartung einer schnellen Flickenkleberei zum nächsten Reifenfachbetrieb transportieren lassen. Dort dann zunächst Ernüchterung. "Motorräder machen wir schon lange nicht mehr, lohnt sich nicht". Auf die vorsichtige Frage, ob sie nicht den Reifen von der Felge ziehen und den Schlauch flicken könnten, kam der Hinweis, dass sie keine Motorradreifen ausbauen könnten. Kein Problem, mit dem Bordwerkzeug der R100 ist das für mich eine Fingerübung. "Wir haben aber auch keine Bühne" konnte ich erfolgreich mit dem Hinweis auf den Hauptständer kontern. Das Eis war gebrochen und die Bereitschaft, das von mir ausgebaute Rad zu reparieren, vorhanden. Das ist die Crew in der Werkstatt dann auch mit Akribie und unter Hintenanstellung der reichlich auf dem Hof stehenden Autokunden angegangen. Dass, wohl durch Wandern des drucklosen Reifens auf der Felge, gut ein halbes Dutzend Löcher abzudichten waren, hat den Ehrgeiz noch mehr angestachelt und da es mit einem Fahrradflicken nicht getan war, wurde ordentlich Gummi aufvulkanisiert. Kurzum, es hat die reichlich 200Km bis nach Hause gehalten. Das war meine zweite Reifenpanne über geschätzte 300.000 Motorradkilometer. Beide mit der R100RS, die mit platten Schlauchreifen gut abzufangen und zum Stehen zu bringen war. Lehre aus dem Ganzen:
Bei der Ninet wäre die Reparatur mangels Bordwerkzeug und Hauptständer so nicht möglich gewesen. "Reifenfachbetrieb" reicht im Pannenfall nicht unbedingt aus. Also vorher nachfragen oder das Motorrad gleich zu einer Motorradwerkstatt bringen lassen.
Und allem Elend kann man auch irgendwo etwas Gutes abgewinnen. Hier die Bereitschaft des Reifenhändlers, nicht nur nach Schema F zu arbeiten oder Haftungsbedenken nur kein Risiko einzugehen, sondern auch mal unkonventionell zu helfen. Mein herzliches Dankeschön geht an die Vergölst Filiale in Ratzeburg, die mir nach vermasselter Tour doch noch den Tag gerettet hat.
Für mich ist das übrigens kein Grund, auf schlauchlose Reifen umzurüsten, deren Notfallreparatur in diesem Fall ohne Zweifel einfacher gewesen wäre. Wenn ich mir den nächsten Nagel in weiteren 150.000Km einfahre, werde ich die Panne ganz nüchtern betrachtet nicht mehr erleben.