Probefahrt R nineT Pure E5 in Blau

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  • Moin Leute,

    hab seit März ne E5-Pure in Option 719-Lackierung weiß/blau mit weißem Heckrahmen (die manchen gefällt und anderen wiederum gar nicht). Da ich keinen extra Strang aufmachen wollte, hier mal meine Erfahrungen auf den ersten 2200 Kilometern. Komme von der vierzylindrigen S 1000 (zwei RR/eine R), fühle mich aber immer schon zum Boxer hingezogen und bin den auch bereits über 200'000 Kilometer gefahren - 152'000 km auf der Sänfte R 1150 RS und 60'000 auf der famosen R 1200 S mit Öhlins-Fahrwerk.

    Mittlerweile bin ich wieder drin im speziellen Fahrgefühl, das das Konzept mit den längslaufenden Wellen bietet und auch mit den Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Speziell in Verbindung mit der gestreckten Sitzhaltung über den langen Tank heißt es in schnellen Kurven über Bodenwellen aufpassen, um nicht über den Lenker und den Gasgriff Unruhe ins Fahrwerk einzuleiten. Scheint mir so was wie der eherne Grundsatz beim sportlichen Fahren der R nineT über wellige Alpenpässe (in meinem Fall vornehmlich Bernina): Immer mit Spannung im Rücken und lockeren Armen - dann geht es fast ebenso flott wie mit der vierzylindrigen Rennmaschine, die ich zuvor gefahren bin.

    Am Motor und seiner geringeren Leistung liegt es jedenfalls nicht, die 109 PS reichen im kurvigen Geläuf bis maximal 100 km/h locker aus, um mit den 200 PS einer S 1000 RR mitzuhalten. Im Gegenteil: Im mittleren Drehzahlbereich zieht die Pure so gewaltig am Reifen, dass es dich aus den Kurven und Kehren regelrecht hinaus schnalzt. Dieses subjektive Fahrgefühl konnte die S 1000 so nicht bieten.

    Auch der Klang aus den beiden Akrapovic-Endtöpfen lässt kaum Wünsche offen. Was man im Stand nach dem Anlassen von dieser E5-Anlage mit den beiden kleinen Löchlein am Ende gar nicht erwarten würde, aber unter Last beim vollen Aufdrehen des Gashahns brüllt das Tier im Motor wie ein Löwe, der zu lange schon nichts zu fressen gekriegt hat. Da bin ich dann jeweils froh um meine 22 dB-Ohrstöpsels, auch wenn sie halbiert sind, um nicht gleich wieder den ganzen Spaß herauszufiltern. Mit der ursprünglich geplanten Beruhigung meiner Fahrweise wird das also wieder nichts. Das ständige Auswringen des Drehgriffs wird zur Sucht, um möglichst oft in den Genuss dieses herrlichen Boxer Knurrens und Bellens zu kommen. Leider nur bergauf, weil es bergab schnell viel zu schnell wird. Dazu die wunderbaren Vibrationen im Gebälk, die vom seitlichen Versatz der beiden Zylinder im Rahmen herrühren. Die beiden Kolben stampfen nicht direkt aufeinander zu, sondern eben etwas versetzt zueinander, was das Fahrzeug - trotz Ausgleichswelle - in angenehme Schwingungen versetzt.

    Die drei Fahrmodi zeigen dabei erstaunliche Wirkung.

    Im "Rain"-Modus - den ich nur interessehalber mal (auf trockener Fahrbahn) ausprobiert habe - muss man sich wirklich anstrengen, flott unterwegs zu sein, zu zögerlich ist die Gasannahme und zu sehr muss man das Handgelenk auswringen, um das volle Drehmoment loszulassen. Dabei ist mir gestern aber zum ersten Mal die Schleppmomentregelung aufgefallen: Beim Einfahren in den Kreisel war Unterstützung vom Bremshebel nötig, der Motor bremste nur wenig.

    Modus "Road" verhält sich völlig unauffällig und man würde nichts vermissen, so lange man "Dyna" nicht ausprobiert hat. Dann hängt die Kiste dermaßen direkt am elektronischen Gasgriff, dass es schwer fällt, die Hand ruhig zu halten. Fast schon wie bei einem Testastretta ist man geneigt, immer wieder mal sinnlos Gas zu geben, um das Tier im Motorrad zu wecken und den Sound aus den beiden Töpfen zu genießen.

    Hier hat BMW mal wieder Augenmaß bewiesen und drei wirklich sinnvolle Abstufungen gefunden, die in der Praxis echt zur Anwendung kommen.

    Zum Fahrwerk hab ich bereits geschrieben - an den Komfort einer RS kommt es natürlich ebensowenig heran wie an die sensible Sportlichkeit der Öhlinskomponenten meiner S -, es bietet aber einen guten Kompromiss aus beiden Welten. Das Federbein ist jedenfalls um Welten besser als das der E3 und Schläge ins Kreuz gehören der Vergangenheit an. Vorne und hinten sind jetzt viel besser aufeinander abgestimmt und lässt man dem Lenker seinen Lauf (wie sich das gehört), wackelt und schaukelt auch nichts auf Fahrbahnen zweiter Klasse, sondern zieht die Maschine unbeirrt ihre Bahn. Wie man das von einer BMW nicht anders kennt eben. Fahrwerksunruhen werden nun mal hauptsächlich durch den Fahrer selbst ins Fahrwerk eingeleitet, wenn er sich zu sehr am Lenker festhält oder darauf abstützt - beides schlechte Angewohnheiten, die man auf Motorrädern wie der R nineT (wegen des langen Tanks) nur sehr schwer in den Griff bekommt.

    Jetzt muss ich aber Pause einlegen, die Arbeit ruft ...