moin,
anlässlich der 10.000er Inspektion hatte ich gestern das erste mal eine R1250GS unter dem Hintern.
Obwohl die Strecke leider kurz war (nur um die 70 km, keine Zeit ), hat es doch für Stirnrunzeln gesorgt und einige Erfahrungen gebracht, die ich nicht so recht verstehen kann. Vielleicht kann ja jemand meinem Verständnis auf die Spünge helfen?
Vorab: Ich finde das Teil mörderhässlich , irgend eine Art von Charakter erschließt sich mir kaum (vielleicht technisch zu perfekt) und ich wollte auf gar keinen Fall meinen Scrambler dagegen eintauschen. Jetzt kommt das Aber :
Die 1250GS war mit Bridgestone Battlax Adventure A41 auf Kreuzspeichen bereift, (2,6/3,1 Bar) , hatte rund 700 km auf der Uhr. Mein Scrambler hat Michelin Anakee Adventure seit ca. 6.000 km drauf ebenfalls Kreuzspeichen (2,4/2,6 Bar) und eine Laufleistung von rund 11.500 km.
1: Wie kann es sein, daß so ein hohes Teil schon bei Schrittgeschwindigkeit unglaublich stabil "steht" - so, als würden da gerade Stützräder ausgefahren. Mit dem Scrambler bin ich da wesentlich wackliger. Trotzdem geht das Teil auf der Landstraße leichter und mit weniger Aufwand in die Kurve. Man muss eigentlich nix machen, ausser in die Kurve zu gucken.. OK - Es fühlt sich etwas "ferngesteuert/servomäßig/synthetisch" an, funktioniert aber.
Dabei sind die Geometrien in den Grunddaten (Radstand, Lankkopfwinkel, Nachlauf..) gar nicht so unterschiedlich, die Räder die gleichen.
2. Über ESA werden 2 Fahrwerksmodi angeboten, Road und Dynamic. "Road" ist für mich schon eher Richtung Schaukelpferd als Sänfte, "Dynamic" fand ich immer noch äußerst komfortabel und hätte normalerweise gleich mal reflexartig die Druckstufendämpfung erhöht.
Mein Scrambler hat vorne Öhlins-Kartuschen mit 8,5er Federn drin, Druckstufe komplett offen und dünnstes Öl in der Druckstufe. Hinten ein Wilbers 642 mit (angeblich für mich zu weicher ) 130er Feder, Highspeed-Druckstufe komplett offen, Lowspeed 5 Klicks geschlossen. Vorne bleibt der Federweg bei 125 mm, Mit dem Wilbers habe ich hinten rund 163 mm zur Verfügung - also nicht soooo viel weniger als die GS mit ihrten 200.
Laut Meinung der hier vertretenen "Experten" bin ich damit a) deutlich zu weich und b) völligst unterdämpft unterwegs. Dennoch fährt sich der Scrambler im Vergleich zur GS auf "Dynamic" eher wie ein Rennrad mit 12 Bar in 22 mm-Reifchen zu einem Downhill-Fully auf 3" mit 1,35 Bar. Klar ist, daß man die Funktionsweise des Telelevers nicht mit einer auch noch so modifizierten Telegabel vergleichen kann - beim Bremsen schon gar nicht. Aber derartige Unterschiede im Komfort und im (gefühlten) Straßenkontakt hatte ich nicht erwartet.
Meine spontan 10-15 km/h höhere Geschwindigleit auf der LS hängt sicher auch ganz erheblich damit zusammen, daß mehr Vertrauen da ist, weil zumindest gefühlt die Reifen permanent am Asphalt "kleben". Hätte ich nicht gelegentlich auf den Tacho geschaut, wäre mir die Geschwindigkeit überhaupt nicht aufgefallen.
3. Vibrationsmäßig läuft die 1250 ganz erheblich ruhiger als mein Scrambler. Sowohl vor der Wartung, als auch nach Ventilspiel- und Syncronisationseinstellung. Normal?
Sonst noch aufgefallen:
- Die gerühmte Sitzhaltung der GS taugt mir gar nicht. Fühle mich dabei wie Don Quijote auf seiner Rosinante, fehlt nur noch die Lanze . Der oft gelobte Sattel ist für mich unkomfortabel, weil er (niedrige Einstellung auf 85 cm, also hinten in der unteren Position) bei aufrechtem Oberhörper das Becken nach vorne kippt. Dadurch habe ich trotz dem hohen Lenker mehr Last auf den Handgelenken - das war nicht meins. Hauptlast nicht auf den Sitzknochen, sondern eher am oberen Oberschenkel hinten. Für mich eher unangenehm.
- Gasannahme/Lastwechsel sind schon bei Road und Dynamic erheblich besser dosierbar als bei meinem Scrambler, von Rain erst gar nicht zu reden. Macht es gerade in der Stadt und auf dem Parkplatz doch erheblich einfacher - die Feinmotorik im rechten Handgelenk kann zu Hause bleiben.
- Der typische Seitwärtsruck bei hartem Einkuppeln oder Gasgeben ist mir bei der GS überhaupt nicht ausgefallen. Obwohl beide Längs-Kurbelwelle und Kardan
- Die Schaltung wirkt auf mich "verbindlicher" und satter. Ich hatte an der Schaltung des Scramblers bisher nichts auszuseztzen, aber das war noch mal eine andere Nummer. Insbesondere vom 2. in den 1 kein rustilkales "Klonk", nur ein definiertes sattes rasten.
- Kupplung deutlich leichtgängiger und auch besser dosierbar (Trocken vs. Ölbad? ). Anti-Hopping beruhigt zwar beim (zu) hektischen runterschalten am Kurveneingang, nimmt aber auch etwas "Spannung" raus
- Die Bremsen gefallen mit beim Scrambler erheblich besser, vor Allem im Anfangsbereich deutlich besser dosierbar. Brutal ankern können beide.
- Den "Sound" der GS finde ich - abgesehen von einigen wenigen Drehzahl-/Lastbereichen sterbenslangweilig. Mag aber von Helm zu Helm unterschiedlich wahrgenommen werden.
- So ein Windschild macht auf der BAB doch einen ganz erheblichen Unterschied. Jetzt verstehe ich, warum bisweilen 140 als "ganz gemütliches Dauertempo" genannt wird. Auf dem Scrambler und mit Jethelm ist es das für mich ganz sicher nicht. Leider halt auch hässlich und für mich am Scrambler ein NoGo.
Fazit: Schon nach 10 km hatte ich in die GS mehr Vertrauen als in den Scrambler mach 11.000, war deutlich flotter unterwegs und dabei noch entspannter. Leider bleibt dabei der Spaß doch erheblich auf der Strecke, aber wenn ich "mal eben" nach Südspanien runter müsste, wäre die GS eher die Waffe der Wahl. Insofern verstehe ich langsam etwas die hohen verkauften Stückzahlen. Weil aber Spanien gerade eh' tabu ist........